Seit dem Mittelalter gab es in unmittelbarer Nähe der Burg Cloppenburg eine Josefs-Kapelle. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite baute Hilger Hertel d. J. (Kevelaer) 1892 die neugotische St.-Josef-Kirche („Kleine Kirche“), die 1957 von St. Andreas in Cloppenburg abgepfarrt wurde. In unmittelbarer Nähe dieser Kirche entstand 1966/68 die heutige St.-Josef-Kirche (die alte Kirche wurde 1973 abgerissen) nach Plänen des Bad Iburger Architekten Martin Klemann [nicht Nemann!] – sie steht mit dem Altar im Mittelpunkt ganz im Zeichen der Erneuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der Innenraum wird von den Glasfenster-Wabengittern beherrscht. 2008 kam der freistehende Turm hinzu, seit 2010 gehört St. Josef zur fusionierten Pfarrei St. Andreas Cloppenburg. 2018 wurde St. Josef zur ersten Jugendkirche im Oldenburger Land umgebaut.
Orgel von Orgelbau Alfred Führer (Wilhelmshaven) aus dem Jahr 1970.
I. SCHWELLWERK (C–g³)
Prinzipal 8'
Bleigedackt 8'
Schwebung 8' [2f.]
Prinzipal 4'
Rohrflöte 4'
Quintflöte 2 2/3'
Flachflöte 2'
Terzflöte 1 3/5'
Septimflöte 1 1/7'
Mixtur 5f. 1'
Bombarde 16'
Hautbois 8'
Clarine 4'
Tremulant
II. HAUPTWERK (C–g³)
Copel 16'
Prinzipal 8'
Rohrflöte 8'
Holzflöte 8'
Oktave 4'
Blockflöte 4'
Terz 3 1/5'
Quinte 2 2/3'
Quarte 2 '
Mixtur 5-6f. 1 1/3'
Fagott 16'
Trompete 8'
Tremulant
Koppel III–II
Koppel I–II
III. BRUSTWERK (C–g³)
(schwellbar)
Holzgedackt 8'
Quintatön 8'
Nachthorn 4'
Prinzipal 2'
Sifflöte 1 1/3'
Nonenpfeife 8/9' (ab fis¹)
Scharff 4-5f. 2/3'
Trompetenregal 8'
Krummhorn 8'
Tremulant
PEDAL (C–f¹)
Prinzipal 16'
Subbaß 16'
Oktavbaß 8'
Spitzflöte 8'
Dolkanpiffaro 4' [+ 2' stillgelegt]
Quintade 4'
Bauernflöte 2'
Sesquialtera 3f.
(5 1/3' + 3 1/5' + 2 2/7')
Mixtur 4f.
Posaune 16'
Trompete 8'
Clairon 4'
Schalmey 2'
Koppel III–P
Koppel II–P
Koppel I–P
5-fache Setzerkombination.
Schleiflade, mechanische Spieltraktur, elektrische Registertraktur.
Orgelbau wird aus mehreren Quellströmen gespeist: aus dem des Kultisch-Liturgischen, des Musikantisch-Künstlerischen, des Orgelbautechnischen und auch aus dem Zeitstil und des
Erfindergeistes. Außerdem unterscheidet sich der Orgelbau vom sonstigen Musikinstrumentenbau in grundsätzlicher Art durch seine Raumgebundenheit. Jeder gute Orgelbau wird für einen ganz
bestimmten Raum geplant und in seiner klanglichen Wirkung darauf abgestimmt.
Der Organologe und Orgeldisponent hat all dies vor Augen, wenn er zu gültigen Planungen kommen will.
Die Kirchengemeinde St. Joseph in Cloppenburg akzeptierte die Überlegungen des Orgeldisponenten, für den das Werkprinzip, die Schleiflade und die mechanische Spieltraktur selbstverständliche
Voraussetzungen waren. Sie akzeptierte darüber hinaus zwei Schwellwerke und zahlreiche Spielhilfen, die noch eigens erläutert werden. Nicht zuletzt akzeptierte sie die Ausweitung des
Klangbezirks. Selbstverständlich wollte die Kirchengemeinde für das Vorhaben eine Begründung. Diese wurde schriftlich fixiert und sah so aus:
„In der Begleitung der liturgischen Gesänge findet die Orgel ihre unmittelbare Eingliederung in die liturgische Handlung.“ (Gelineau in ‚Die Musik im christlichen Gottesdienst‘ S. 268). Diese
Begleitung unterliegt jedoch verschiedensten Bedingungen. An erster Stelle soll sie den Gesang stützen. Chorgesang darf sie nicht übertönen, da das Wort verständlich bleiben muß.
Das bedeutet, daß dem Organisten die Möglichkeit gegeben sein muß, in zahlreichen Nuancen zu variieren. Kantor, Männerschola, gemischter Chor, Kinderchor und Singschar brauchen eine ihrer
jeweiligen Besetzung entsprechende adäquate Begleitung, die nicht nur durch gut disponierte und mensurierte 8'- und 4'-Lage erreicht wird, sondern auch durch Einsatz eines Schwellers (nicht
Rollschweller der alten Orgel!). Seit Jahrhunderten praktizieren und kultivieren die Franzosen erfolgreich in ausgeweitetem Maße eine solche Bauweise.
Es ist darum bei den in St. Joseph, Cloppenburg, herrschenden guten chorischen Voraussetzungen unerläßlich, beim Bau der Orgel deren Begleitfunktion in besonderem Maße zu berücksichtigen,
mehr als üblich: darum der Einsatz von zwei Schwellwerken mit sehr unterschiedlichen labialen und lingualen Klangkörpern.
Je besser die Begleitung das Wort zur Geltung bringt, desto mehr entspricht sie dem Geist der Liturgie. Dabei braucht sich die Orgel aber nicht nur auf Begleitfunktionen in oben angegebenem
Sinne zu beschränken. Es gibt heute liturgische Gesänge mit obligater Orgelbegleitung, d. h. Chorgesänge, zu denen die Orgel in Harmonie, Rhythmus und Farbe eine natürliche Ergänzung und einen
gleichwertigen Part bildet. Dieser Funktion einer Orgel sollen in St. Joseph, Cloppenburg, in besonderer Weise die in genauen Proportionen ausgearbeiteten Dispositionen der beiden Schwellwerke
gerecht werden, wobei man die Zuordnung der Obertonreihe mit sogenannten aliquoten Warmklingern in Schwellwerk I (2 2/3', 1 3/5', 1 1/7') und mit sogenannten aliquoten Kühlklingern im Schwellwerk
II (1 1/3', 8/9') besonders beachte. Schwellwerk II als Brustwerk gebaut, soll im übrigen spritzigfrischen Positivcharakter tragen.
Weiterhin muß ich die Aufmerksamkeit der Gemeinde auf die Begleitung des Gemeindegesanges lenken. Ich möchte dazu Dozent und Komponist Richard Rudolf Klein, Frankfurt, zitieren: „Das
geistliche Lied des 16. bis 18. Jahrhunderts könnte erstaunlich schmackhaft gemacht werden durch Modernisierung des Satzes: Abkehr vom biederen funktionellen Kantonalsatz und seinem dadurch
bedingten zählen Tempo, statt dessen modale Harmonik, Bordun- und Mixturstimmen, eventuell auch Einbeziehung von Zupfbaß u. a. mehr. Die meisten Kirchenlieder lassen in ihrer stilistischen
Neutralität dergleichen ohne weiteres zu, und man würde staunen, wie wenig altmodisch sie sind.“ Das Zitat findet gerade für St. Joseph seine besondere Berechtigung, da rhythmischen
Differenzierungen keine hallige Akustik oder gar Überakustik im Wege steht, folglich gut auf eine ‚kathedrale‘ Singweise der Gemeinde verzichtet werden kann. Dies einkalkulierend, wurde sogar das
Hauptwerk mit Cantus-firmus-Registern bedacht, die zusammengelegt (in etwa ein französisches) Solokornett ergeben: Holzflöte 8', eventuell ergänzt durch Rohrflöte 8', Oktav 4', ebenfalls ergänzt
oder ersetzt durch Blockflöte 4', Quint, Terz und Quart. Dem Führungsanspruch dieses warmen Klanges kann man sich nicht entziehen. Bei kräftigem Gemeindegesang läßt sich die Solomischung
selbstverständlich durch Mixtur und Trompete aufstocken. Die Begleitstimmen liegen dann im mit Prinzipalen 8' und 4' ausgerüsteten Schwellwerk I. Bei schwach besetzter Wochentagsgemeinde lassen
sich verschiedene Kornette in den Schwellwerken zusammensetzen und außerdem noch durch den Schweller abstufen. In einem solchen Falle können die Begleitstimmen im Hauptwerk liegen (Holzflöte 8',
Oktave 4'). Allerdings erfordert eine solche Gemeindebegleitung, bei der sich die Gemeinde rhythmisch sicher und frisch führen läßt, eine Abkehr von bisher üblicher Begleitmanier und Hinwendung
zur Cantus-firmus-Technik.
Soweit der Hinweis für die Kirchengemeinde St. Joseph.
Die Kirchengemeinde interessiert sich in erster Linie für die kultisch-liturgische Funktion einer Orgel. Dabei ist sie – oft unwissend – in einer Flucht vor dem Heute. Es gilt hier, klar zu
machen, daß die alte Lehre des Christentums nicht nur in zeitennahen Räumen (St. Joseph will ein solcher sein) zeitnah gelehrt und verkündet wird, sondern auch durch die Kirchenmusik, speziell
durch die Orgelmusik, eine adäquate Aussage, eine Verkündigung in Tönen erfahren sollte. Eine zeitgemäße Verkündigung in Tönen entsteht jedoch nicht dadurch, daß man mehrere historische
Klangformen kopiert und nebeneinander stellt: etwa französisches Werk, spanische Trompetenbatterie und italienisches Werk. Über eine unvollständige Musterschau von historischen Orgellandschaften
kommt man dabei nicht heraus. Außerdem führt eine solche überwiegend historisierende Tendenz zu einer Lähmung in der Weiterentwicklung des Orgelklanges. Von der zeitnahen Orgel sollen neue
Impulse und Anregungen auf das Musikschaffen ausstrahlen. Was bei der Alfred-Führer-Orgel in St. Joseph angestrebt wurde, ist eine – wenn auch nur mit 46 Registern ausgestattete – vollständige
Orgel, soweit sie sich auf das dispositionelle Gefüge erstreckt:
1. eine lückenlos durchgeführte Prinzipalfamilie, d. h. eine Klangpyramide, die kein Klangloch hat, wo in Baßlage Bombarden grölen und in Diskantlage Klangkronen kreischen. Um dies zu
vermeiden, hat man nicht nur die Oktavreihen ausgebaut, sondern auch die Quintreihen: der 1 1/3' gibt nicht nur Klangfarbe, sondern bindet zufolge der Kombinationstöne den 2' an den 4'. Das
gleiche gilt für den 2 2/3', der den 4' an den 8' bindet.
2. Neben diesem unerläßlichen Klangrückgrat ist versucht worden, mehrere labiale Klangfarbengruppen gegenüberzustellen. Die vielfachen Kombinationsmöglichkeiten theoretisch festzuhalten,
liegt gar nicht in den Möglichkeiten eines Schallplattenhüllentextes!
3. Das Pedal wurde so voll ausgebaut, daß man nicht ständig auf Anleihen aus dem Manualbereich angewiesen ist. Zarte labiale Klänge (16' + 8') wie Zungenvielseitigkeit gehörten
dazu.
4. Die Zungenvielseitigkeit erstreckt sich selbstverständlich auch auf die Manuale. Aus dem Trompetenregal 8' wird bei geschlossenem Schweller und Einschalten des Tremulanten geradezu der
täuschend ähnliche Klang einer Vox humana. Entsprechend Ähnliches gilt von den anderen Zungen der beiden Schwellwerke.
5. Der etwaige Verzicht auf 16' im Manualbereich würde eine ganze Reihe wertvoller Orgelliteratur und ebenso ein gravierendes Plenum ausschließen. Besonders geschmeidig und vielseitig
einsetzbar ist Kopel 16', wie Stillgedackt 16' wirkend, jedoch abrundend voller und farblich besonders reizvoll ergänzt durch Hinzunahme des 3 1/5'.
6. Die Disposition zeigt, daß der 3 1/5' nicht das einzige tiefliegende Obertonregister ist. Dem Disponenten schien es erfahrungsgemäß wichtiger, tiefliegende Register aus dem Obertonbereich
bauen zu lassen, als hohe, denn nur hier kommen sie optimal zur Klangwirkung, während sie in hohen Fußlagen sich unverbindlich dem Ohr entziehen, im Gegenteil oft zu einem klangzerrissenen
Gebilde im Verein mit anderen hohen Fußlagen kommen, diese eher abstoßend als verschmelzend.
7. Das klangliche Gesamtergebnis ist größte Vielfalt bis hin zum Plenum.
8. Sich für den Bau einer mechanischen Spieltraktur zu entscheiden heißt nicht, auf weise angebrachte Spielhilfen im registriertechnischen Bereich zu verzichten. Das Setzersystem wurde mit
dem des freien Kombinationssystems derart verbunden, daß die Vorwahl in Art freier Kombinationen getätigt wird, bei Abruf aber sichtbar in der Handregistrierung einrastet. Rechts vom Spielschrank
sind 5 Setzermöglichkeiten in Form von Kippschaltern, links vom Spielschrank ist die gesamt Handregistrierung, übersichtlich geordnet, angebracht: In der 1. Reihe für das Schwellwerk II (3.
Man.), in der 2. Reihe für das Hauptwerk (2. Man.), in der 3. Reihe für das Schwellwerk I (1. Man.) und in der 4. Reihe für das Pedalwerk und die Pedalkoppeln, während die Manualkoppeln in der
Hauptwerksreihe liegen. Jedes Manual hat einen Tremulanten, dessen Zug auch in der entsprechenden Reihe liegt. Die Tremulanten sind außerdem in Intensität und Schnelligkeit einstellbar, jeweils
also mit 2 Drehknöpfen. Außerdem gibt es Festeinstellungen: Zungen ab–ab, Mixturen an–ab, Tutti. Normalkoppeln und Setzer sind in wechselweiser Wirkung auch mit einem Fußdruckknopf zu bedienen:
Piston.
Die Kirchengemeinden im katholischen Oldenburger Raum müssen sich – im Gegensatz zu vielen evangelischen Gemeinden – mit nebenberuflichen und ehrenamtlichen Organisten begnügen. Da viele
nebenberufliche angehende Organisten an der Orgel in St. Joseph in einer auf Privatinitiative gegründeten Orgelschule, der sogenannten Cloppenburger Orgelschule, ihre Ausbildung erfahren und
erfahren haben, war es wichtig, hier ein solch gravierendes Instrument zu erstellen. Ein klanglich so vielseitiges Instrument gibt dem Orgellehrer Möglichkeiten, beim Orgelschüler den Lernprozeß
des Registrierens in vielfältiger Weise einzuleiten. So hat die Kirchengemeinde über ihre eigenen Bedürfnisse hinaus den Oldenburger katholischen Gemeinden einen unschätzbaren Dienst
erwiesen.
Günter Berger, 1973, im Beiheft zur LP „Orgeldokumente 8“ (Uwe Groß spielt Werke von Manfred Kluge an der Führer-Orgel in Cloppenburg St. Joseph)
1892 Orgelneubau durch einen unbekannten Orgelbauer.
1936 Umbau durch Orgelbau Friedrich Fleiter (Münster), II+P/13.
1953 Orgelneubau durch Franz Breil (Dorsten) unter Wiederverwendung eines großen Bestandes aus der Vorgängerorgel, II+P/15.
1968 In der neuen Kirche zunächst Aufstellung eines Leihpositivs (Baujahr 1959) der Fa. Orgelbau Alfred Führer (Wilhelmshaven), I+aP/4. (Die Breil-Orgel kommt 1973 nach » St. Willehad Wilhelmshaven.)
1970 Orgelneubau durch Orgelbau Alfred Führer (Wilhelmshaven), III+P/46.
1991 Reinigung, Überholung und Dispositionsänderung (im SW Hautbois 8' statt Krummhorn 8', im BW Krummhorn 8' statt Schalmey 2' C–f¹, im Pedal Schalmey als zusätzliches Register) durch Orgelbau Alfred Führer (Wilhelmshaven), III+P/47.
2004 Reinigung und Renovierung durch Johannes Dieter Poll (Cäciliengroden).
2010 Reparatur, Schimmelbekämpfung und Nachintonation der Holtflöte 8' (HW) durch die Fa. Osterfriesischer Orgelservice (Wiesmoor).
Uwe Groß spielt Werke von Manfred Kluge an der Führer-Orgel in Cloppenburg St. Joseph
LP: Pape Orgeldokumente 8, TST 77 937 (1973)
Hörbeispiel (Seite A): Manfred Kluge: „Vater unser im Himmelreich“ (Neun Strophen) |
Hörbeispiel (Seite B): Manfred Kluge: Neun Choralvorspiele für Orgel |
D-49661 Cloppenburg, Bült 2
Quellen und Literatur:
Beilage zur LP „Uwe Groß spielt Werke von Manfred Kluge an der Führer-Orgel in Cloppenburg St. Joseph“ (Pape Orgeldokumente 8), 1973
F. Schild: Orgelatlas der historischen und modernen Orgeln im Gebiet der Kath. Kirche im Oldenburger Land, 2011 (unveröff.)
Frdl. Mitteilung Dr. Thomas Lipski, Cloppenburg
Letzte Änderung: 24.06.2021.